aesthetics
11.06.2013interdependencies
11.06.2013irgendwas war nicht mit mir in die entweder-oder frau-oder-mann-toilette auf dem flughafen gekommen, ich hatte vielleicht die tür zu schnell zugemacht, um der ausweglosigkeit des entweder-oder zu entlaufen, vielleicht. ich weiß es nicht und es ist auch egal, das fragen nach dem warum. irgendwas fehlte in dieser kleinen engen kabine, die zu starke spuren intimitäten anderer besaß. als ich pinkelnd im stehen über der klobrille erleichtert ausatmete, druck loslassen, kurz keine blicke und ausgrenzungen in der privatheit einer singulären abschließbaren öffentlichen toilette, als ich also so dort stand, merkte ich gleichzeitig, dass ich nicht mehr rausgehen würde, nicht mehr die luft anhalten, nicht mehr wieder und wieder den gleichen weg zurückgehen würde, den ich schon in seiner spaltenden und unvereinbaren entweder-oder-logik gekommen war, ein weg durch an zweiteilungslogiken glaubende schockierte augenpaare, ein weg vorbei an empörten zischenden zu- und wegschreibungen meiner existenz; ich wusste, ich würde nicht mehr rausgehen, ich würde einfach hier bleiben, an einem leicht stinkenden (aber auch daran gewöhnt tx sich, merkt es irgendwann nicht mehr) nicht-ort, mit einem winzwaschbecken auf kniehöhe und einem bepinkelten klobecken ohne deckel. und es war viel weniger als eine neue aktive entscheidung, eine neue politische handlungsform, es war nicht die entscheidung zu einem raum in dem ich mich jetzt einrichten würde. es war kein aufbegehren und neu und anders aufmerksam machen, es war aufgeben. auf einmal war etwas vorbei. ich war fertig mit pinkeln, ich zog mir die hose hoch, wusch mir die hände auf kniehöhe, vermied gewohnheitsmäßig souverän den blick in den spiegel, wie seit jahrzehnten. eine selbstverständlichkeit eines nicht hinspürens eines nicht mich wahrnehmens und sichtbarwerdens und daseins in welten; ein abwiegeln eines trotzdems mich in öffentlichen räumen zu bewegen war einfach, schlicht und fast ein wenig überraschend vorbei; so als hätte ich plötzlich keinen hunger mehr, keinen durst, und auch kein bedürfnis mehr zu pinkeln. auch die zeit war vorbei: ich wartete nicht darauf dass es klopfte, ich versuchte nicht mich einzurichten, einen sitz- oder gar liegeplatz zu finden, ich überlegte nicht meine handlungen, meine re_aktionen auf die aktionen später abends dann vielleicht durch irgendeinen sicherheitsservice die tür zu meiner toilettenzelle aufzubrechen, um nachzusehen, ob eine person ohnmächtig geworden ist; ich hatte keine solchen sozialen handlungsvorstellungen und -bezüge mehr in mir, keine versicherungen von dreimal atmen und dann doch wieder rausgehen, einfach ignorieren, die anderen sind eben dumm, sind eben unwissend, sind eben normalisiert, keine versicherungen von nischen und kleinen lebensorten, keinem flughafentoiletten-neuanfang in der kurzen unsicheren unsichtbarkeit eines abschließbaren kleinraums in einem durch gewalt konstituierten größeren raum; keine beschwichtigungen mehr keine selbstbeschwörungen, keinen glauben, keine hoffnung.
es war einfach vorbei.
so wie wenn atmen aussetzt
herz stehenbleibt
worte aufhören