Moving Into Sunlight: Decolonial Gestures, Embodied Archives
02.02.2021Umkämpfte Erinnerungen
17.03.2021Freitag & Samstag, 12. & 13. März 2021
Eine zweitägige Veranstaltung mit Live-Kunst-Performances und Interventionen, die Körperarchive als Orte des dekolonialen Wissens, des Widerstands und der Selbstermächtigung für BIPoC, (post-)migrantische, diasporische und queere Communities in Berlin in den Mittelpunkt stellen.
12. März bei xart splitta *online*
13. März im Nachbarschaftshaus Urbanstraße *online*
Künstler:innen: Nathalie Anguezomo Mba Bikoro, Raju Rage + Nad MA, Nine Yamamoto-Masson, Sajan Mani + Aroh Akunth, a.s. sumukha
Kuratiert von Kathy-Ann Tan in Zusammenarbeit mit xart splitta.
„When I speak of the erotic, then, I speak of it as an assertion of […] that creative energy empowered, the knowledge and use of which we are now reclaiming in our language, our history, our dancing, our loving, our work, our lives.“ – Audre Lorde, „The Uses of the Erotic: The Erotic as Power“.
„Audre Lorde schreibt über die Erotik als eine zutiefst motivierende und ermächtigende Kraft, die in den Körpern von Womxn of Colour lebt. Indem „Moving Into Sunlight“ das Wissen, die Geschichte, das Lachen, die Kämpfe, die Widerstandsfähigkeit und die Macht von queeren und BIPoC-Leben in den Mittelpunkt stellt, stört und sprengt es den „westlichen“, kolonialen Blick, der diese Subjektivitäten seit Jahrhunderten gesammelt, „studiert“, seziert, rassifiziert, sexualisiert und reguliert hat. Unsere Körper sind unsere Archive. Sie halten, speichern, bewahren auf, reagieren auf und verarbeiten Erfahrungen von Trauma, Freude, Schock, Krankheit, Aufregung, Schmerz, etc. Für postkoloniale, migrantische und diasporische Subjekte wird der Körper zu einem primären Ort des Widerstands und der Ermächtigung, der Selbstrepräsentation und Transformation, für eindringliche Erfahrungen der Verbindung mit dem Leben und dem Vermächtnis derer, die vor ihnen kamen. Der Kampf um soziale Gerechtigkeit, Rechenschaftspflicht und Wiedergutmachung ist noch lange nicht vorbei, und diese Veranstaltung lädt Künstler:innen, Kulturschaffende, Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und alle, die sich auf die eine oder andere Weise angesprochen fühlen, ein, im Geiste des Teilens, der Fürsorge und der kollektiven Strategie zusammenzukommen.
Die Veranstaltung findet in englischer und deutscher Lautsprache und komplett online statt. BIPoC und (post-)migrantische Bewohner:innen aus der Nachbarschaft der Veranstaltungsorte in Berlin-Kreuzberg/Neukölln sind besonders willkommen. Meldet euch bitte bis zum 10.03.2021 per E-Mail über movingintosunlight@gmail.com an, wenn ihr teilnehmen möchten. Bitte gebt an, ob ihr eine Gebärdensprachdolmetschung benötigt.
Ablauf
12 März 2021
18.00h: a.s. sumukha kurze Intervention
18.30h: Sajan Mani + Aroh Akunth Performance
19.30h: a.s. sumukha kurze Intervention
20.15h: Nine Yamamoto-Masson Video-Performance
21:15h: a.s. sumukha kurze Intervention
21.30h: Schluss
13. März 2021
13.00h: Begrüßung mit Kathy-Ann Tan, Iris Rajanayagam und Bahar Sanli
13.30h: Nathalie Anguezomo Mba Bikoro Performance
14.30h: Pause
15.00h: Raju Rage + Nad MA Performance
16.00h: Pause
16.30h: Gruppen-Sessions mit Workshopleitenden auf Zoom
17.30h: Pause
18.00h: Q&A Diskussion und kollaborative Dokumentation
19.00h: Abschluss
Künstler:innen
Anguezomo Mba Bikoro verbindet Archäologie, Klangradio, Schrift, Textilien, Skulptur, Live-Kunst-Performances, Film und Archive zu immersiven Installationen. Die Arbeit analysiert Prozesse der Macht & Wissenschaftsfiktionen in historischen Archiven, die sich kritisch mit Migrationskämpfen und kolonialer Erinnerung auseinandersetzen. Die Künstlerin schafft Umgebungen für alternative Narrative und Zukunftsspekulationen kolonialer Widerstandsbewegungen, die von afrikanischen Frauen der deutschen Diaspora und indigenen Gemeinschaften angeführt wurden. Sedimentiert in Erzählungen von testimonialen Black-Queer-Erfahrungen von sonischen Naturarchiven, Revolte, queering ecologies und postkolonialen feministischen Erfahrungen hin zu neuen Denkmälern, die auf die unterschiedlichen Töne von Gesellschaften zwischen Wahn & Ritual reagieren. Die Arbeit bietet komplexe nicht-binäre Lesarten, die neue Untersuchungen über die Architekturen von Rassismen in Städten, die Archäologien urbaner Räume & Ökonomien traditioneller Systeme vorantreiben, indem sie die Grenzen von Technologien als funktionale Gedächtnisaufzeichnungen aufzeigen.
„Where Is Your Fire?“
what to say to you now in the soft afternoon air as you hold us all in a single death i say “where is your fire?”
i say where is your fire?
you got to fight it and pass it on
you got to find it and pass it on from you to me from me to her from her to him from the son to the
father from the brother to the sister from the daughter to the mother from the mother to the child
i say where is your fire?
i say where is your fire?
can’t you smell it ?
coming out of our past
the fire of living not dying
the fire of loving not killing
the fire blackness not gangster shadows
where is our beautiful fire that gave
light to the world?
Auszug aus „Catch the Fire“ von Sonia Sanchez
Anguezomo Mba Bikoro präsentiert „Where Is Your Fire“, ein Trauerritual, das auf Archivmaterial Schwarzer Abolitionist:innen zurückgreift und die Geschichte eines verlorenen Gerichtsverfahrens aus dem 19. Jahrhundert über die Ermordung einer Herero-Prinzessin und eines gestohlenen afrikanisch-deutschen Theaterskripts nachzeichnet. Die Künstlerin folgt den vielfachen Routen Schwarzer Feministischer Schriftsteller:innen, die durch die Fiktionen botanischer Kolonialfiktionen verwoben sind und Zeugnisse antikolonialer Kämpfe und Warnungen im mythischen Geist des Drexciyan-Aufstandes übermitteln.
Sajan Mani ist ein intersektionaler Künstler, der aus einer Familie von Kautschukzapfern in einem abgelegenen Dorf im nördlichen Teil von Keralam, Südindien, stammt. Seine Arbeit bringt die Probleme der marginalisierten und unterdrückten Völker Indiens zum Ausdruck, und zwar durch den „Black Dalit body“ des Künstlers. Manis Performance-Praxis besteht auf verkörperter Präsenz, konfrontiert mit Schmerz, Scham, Angst und Macht. Sein persönliches Rendezvous mit seinem Körper als Treffpunkt von Geschichte und Gegenwart öffnet den Blick auf den „Körper“ als soziopolitische Metapher. Mehrere von Manis Performances verwenden das Element Wasser, um ökologische Themen anzusprechen, insbesondere im Zusammenhang mit den Backwaters von Kerala, sowie das allgemeine Thema der Migration. Seine jüngsten Arbeiten betrachten die Korrespondenz zwischen Tieren und Menschen und die Politik des Raumes aus der Perspektive einer indigenen Kosmologie.
Aroh Akunth ist ein:e Dalit-Queer Interdisziplinäre Künstler:in. Derzeit lebt Aroh Akunth zwischen Göttingen und Delhi. Aroh Akunth hat einen Bachelor in Sozialwissenschaften und absolviert derzeit einen Master in Modern Indian Studies. Aroh Akunth ist auch Gründer:in des Dalit Art Archive und der Dalit Queer Project Initiativen, die die Narrative ihrer Gemeinschaften in den Mittelpunkt stellen. Als Künstler:in interessiert sich Aroh Akunth für die Erforschung von Kaste und Queerness als Welten durch ihre Experimente mit Worten, Sound, Visuals und Performance.
„Shambuka“ ist eine Performance, die das fortbestehende Vermächtnis der Hindu-Epen und der Kasten-Apartheid in der Politik des indischen Subkontinents im 21. Jahrhundert verortet. Im Laufe der Jahre war der Mord an Shambuka sowohl für Anti-Kasten-Gelehrte wie Ambedkar als auch für progressive Künstler:innen von akademischem Interesse. Wo Eklavya für seine Träume als Avarna bestraft wurde, zahlte Shambuka den Preis für seinen Erfolg in einer Kastengesellschaft. Die Performance regt dazu an, über die Art und Weise nachzudenken, wie die Vorherrschaft der Kaste die Identitäten, die wir verkörpern, informiert und mit ihnen interagiert, und was es für Menschen, deren Körper von der Kaste gezeichnet sind, bedeutet, in einer metaphorischen Schleife festzustecken.
Raju Rage ist ein:e zarte:r Stier (Taurus). Raju Rage ist auch ein Künstler:in und kreative:r Pädagog:in, arbeitet mit Heilungs- und Pflegeprozessen und -praktiken und verwendet Werkzeuge der Transformation und Resilienz im Angesicht von Raubbau und Extraktivismus von hetero- und homonormativen Cistemen.
@Raju_Rage
Nad MA ist ein:e wahrhaft sinnliche:r SKorpion (Scorpio). Nad MA arbeitet mit Körperlichkeit und der Politik des Körpers als Massagetherapeut:in, Körperpiercer:in, Shibari-Lehrer:in, Drag King und Workshop-Leiter:in. Nad MA interessiert sich auch für Spiritualität und die Heilung aller Wesen.
@Nadnadius
Transistenz: gegen Körper*, die wir lieben
Ein partizipatorischer Live-Stream Drag – Care – Austausch mit Raju Rage und Nad MA, zwei geschlechtsuntypischen Körpern, die ausloten, was hinter der Ästhetik und Performance von Drag liegt, und die nicht-sexuelle Intimität und erotische Kraft jenseits des Frauseins erforschen. Wir stellen euch die Alter-Egos ‚Lola Love‘ und ‚Hugo‘ vor und laden euch ein, euch mit uns zu solidarisieren und euch gemeinsam zu engagieren.
Nine Yamamoto-Masson ist eine französisch-japanische Künstlerin, Theoretikerin, Autorin, Forscherin und Übersetzerin. In ihrer akademischen Forschung, künstlerischen und aktivistischen Praxis analysiert sie die vergeschlechtlichte Nekropolitik der (Neo)Kolonialität im Hinblick auf die Hinterlassenschaften des europäischen und japanischen Kolonialismus, wie sie sich gegenwärtig als Machtkonfigurationen und Wissensökonomien manifestieren, die Gewalt auf Körper und Zukünfte ausüben. Sie untersucht die Organisationsformen des vernetzten Widerstands und das Wirken widerständiger Erinnerung, die hegemoniale, dominante Narrative herausfordert, wobei sie sich auf die Rolle von Kunst und interdiasporischen, internationalistischen, generationenübergreifenden Solidaritäten konzentriert. Sie ist Doktorandin an der Universität von Amsterdam.
„Nobody Died“ spürt der Reibung verschiedener Formen von Auseinandersetzungen über die Trauer um Leben nach, die systematisch entwertet und gewaltsam verletzt oder genommen werden, im Kontext dessen, wie sich rassifizierte und geschlechtsspezifische Gewalt in individuellen und kollektiven Körpern ansammelt und unter den entzündeten Narben wie glühende Konstellationskarten juckt, die vorwärts und zurück durch die Zeit und über den Globus, über Generationen hinweg reichen. Es beinhaltet ein Video und eine Installation von Collagen und Zeichnungen, die auf einer fotografischen Dokumentation der spannungsgeladenen Veränderungen (und entsprechenden Nachrichten) auf Straßenebene in NYC im Frühjahr/Sommer 2020 basieren, wo die Künstlerin aufgrund von Covid gestrandet war und wie so viele gezwungen war, Trauerrituale zu improvisieren, um die Toten angesichts einer sich ständig verschärfenden auf weißer Vorherrschaft basierenden Hierarchie der Gefühle zu ehren. Die Videolesung Is a Film a Bone (2020) ist Teil eines Rituals. Sie handelt von der Trauerarbeit, davon, wie man den Toten gerecht wird, von den Kämpfen, die Vergangenheit zurückzufordern und sich die Zukunft wieder anzueignen. Es geht um die verborgenen Wurmlöcher, die die verschiedenen Raum-Zeiten verbinden, in die der Künstler verstrickt ist. Es geht darum, wie man mit dem Feuer lebt, und um seine Rolle als Geburtshelfer einer neuen Welt.
a.s. sumukha ist Dichter:in, Gelehrte:r und Aktivist:in.
„BRAUNES KARMA * SCHWARZES DHARMA (2021)“
Fühlend, lesend und sprechend gegen den Strich, begeht a.s. sumukha Vorziege-Minderheiten-Selbstmord. Indem a.s. sumukha an die Solidarität zwischen der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA und dem Widerstand gegen das Kastesystem in Indien erinnert, wendet a.s. sumukha sich dem „Black Dharma“ zu, einer aufkommenden Strömung des nordamerikanischen Buddhismus, die reformistische postvedische Praktiken mit der Black Radical Tradition verbindet. Auf diese Weise betrachtet a.s. sumukha verschiedene Beziehungen von Macht ohne Herrschaft, die a.s. sumukha auf eine Lektüre von Lordes Erotik als Macht überträgt.
Workshopleitenden
Iris Rajanayagam ist Historikerin (MA Humboldt-Universität Berlin). Sie arbeitet zu post- und dekolonialen Theorien, Intersektionalität, Erinnerungspolitik und Social Change; sie ist Leiterin des Vereins xart splitta und Dozentin an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Außerdem ist Iris Rajanayagam Vorstandsmitglied des Migrationsrates Berlin und war viele Jahre in der Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen aktiv.
Rena Onat ist Frauen*beauftragte und Kunst- und Medienwissenschaftlerin. Sie arbeitet derzeit an ihrer Doktorarbeit über Kunstwerke von QTIBIPoC-Künstler:innen im deutschen Kontext und beleuchtet dabei Ausdrucksformen von Queer of Color-Kritik in und durch Kunst und visuelle Kultur. Sie ist eine deutsch-türkische Femme of Color, die Pferde mag.
Yergalem Yagi Taffere hat viele Eisen im Feuer. Wenn sie könnte, wäre sie jedes Wochenende an einem anderen Ort und würde sich die wichtigen Geschichten verschiedener Menschen und ihrer eigenen diasporischen Lebensrealitäten anhören. Sie ist Regisseurin, Fotografin, Performerin und DJ. Derzeit arbeitet sie an „Yagi’s Kaleidoscope“.
Mai Zeidani Yufanyi ist Sozialwissenschaftlerin; in ihrer Arbeit bei Inssan e.V. beschäftigt sie sich mit Antidiskriminierung und postkolonialen Migrationsgesellschaften in Europa, Asyl- und Migrationspolitik. Als Person of Colour und Migrantin mit muslimischen und jüdischen Wurzeln in Palästina und Europa spielen intersektionale Ansätze eine zentrale Rolle in ihrer Arbeit.
Magnus Elias Rosengarten ist ein Schriftsteller und Künstler, der derzeit in Berlin lebt. In seiner Arbeit erforscht er Körper und Narrative – mittels Text, Performance, Bewegtbild und der körperlosen Stimme – die sich in der globalen Diaspora bewegen und kontinuierlich manifestieren. Er studierte an der Humboldt Universität in Berlin und schloss sein Studium der Performance Studies an der New York University, Tisch School of the Arts ab.
Sophya Frohberg ist Kuratorin und Forscherin und lebt in Berlin. Ihre Arbeit beschäftigt sich mit der Sichtbarkeit Schwarzer, queerer und intersektionaler zeitgenössischer Kunst sowie mit radikalen dekolonialen Praktiken innerhalb kultureller Institutionen. Derzeit erforscht sie mit ihrer Arbeitsgruppe CCC – Curating Through Conflict with Care – Wege zu einem verantwortungsvollen, nicht-hierarchischen Kuratieren.
Kuratorin
Kathy-Ann Tan ist eine in Berlin lebende Kuratorin, Autorin und unabhängige Wissenschaftlerin für visuelle Kunst und Performance, postkoloniale und dekoloniale Theorie und Gender/Queer Studies. Sie interessiert sich für alternative Modelle der Kunstverbreitung, des Ausstellungsmachens und des Aufbaus von Institutionen, die auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit in der heutigen Zeit abgestimmt sind. Ihr laufendes Projekt decolonialartarchives zielt darauf ab, gemeinsam ein Forum für Künstler:innen, Kurator:innen und Kulturschaffende aufzubauen, um Wege zu entwickeln, koloniale Narrative zu hinterfragen.
Programmflyer (Eng.)
Gefördert aus Mitteln des Programms Impact-Förderung 2021 der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa:
Diese Veranstaltung findet im Rahmen des, von der LADS geförderten Projektes #CommunitiesSolidarischDenken statt.